Discobesuch
Ich habe euch gesehen.
Ihr schreibt euch Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit auf die Banner, aber wenn diese Werte im großen Stile verletzt, oder gar ins Gegenteil gekehrt werden, sitzt ihr bei Mate Tee und Low Carb-Curry.
Ihr habt die Ängstlichkeit kultiviert. Habt sie unter eurer Pflege wachsen und gedeihen lassen wie eine Zimmerpflanze.
Ihr habt nichts getan.
Wart zu beschäftigt damit, das Glück zu suchen. Und dabei gut auszusehen. So verdammt gut.
So verdammt glücklich.
Für die Zeit, die ihr tanzt. Die ihr vögelt. Die ihr shoppt. Die ihr euer Loft einrichtet.
Die einzige Entscheidung die ihr aktiv trefft ist die, euer eigenes Glück zu priorisieren. Koste es was es wolle. Reiki, Yoga, Therapie, … Ihr macht alles. Und nichts richtig.
Ihr verehrt Buddhisten und Quacksalber.
Ihr seid frei von Bindung und Zugeständnis. Ihr habt euch von den Fesseln der Konvention befreit, und seid dabei so konventionell.
Ihr habt unglaublich viel Sex.
Ihr verliebt euch, zieht aber keine Konsequenz daraus.
Ihr zieht sie aus wenigem.
Ihr habt die Welt nicht gesehen, außer von der gesicherten Kletterwand in Thailand aus.
Ihr seid so von dem was ihr als Sicherheit wahrnehmt eingeschlossen, dass ihr euch das leistet, was ihr Freiheit nennt.
Ihr wollt die Welt nicht veränden. Nur noch euch selbst.
Für euch gibt es nur noch euch, als logische Reaktion, als Trotz auf alles was um euch passiert.
Ihr seid nicht reich, aber noch weniger seid ihr arm.
Arm allerdings an Weitsicht. An Weltsicht.
Ihr entscheidet euch nicht mehr. Ihr lasst die Entscheidung so nahe zu euch kommen, bis ihr nicht mehr entscheiden, sondern nur noch reagieren müsst.
Ihr tanzt euch die Nacht weg; verbratet den Tag. Studiert Belanglosigkeiten und seziert Kalorienlosigkeiten.
Ihr versteckt hinter Pastellfarben und Schnörkeln alles was zu sehr in Richtung schwarz oder weiß tendiert.
Ihr seid weder bunt, noch schwarzweiß. Ihr seid gedeckt.
Ihr seid stetig um eure Mitte bemüht, ohne die Grenzparameter, zwischen der ihr sie einordnen könntet, überhaupt zu kennen.
Ihr ignoriert Leid, weil es euch aus der vermeindlichen Mitte werfen könnte. Weil es -wie nichts anderes- unmittelbares Handeln bedingt.
Ihr verurteilt nicht. Ihr lasst urteilen. Lasst andere entscheiden, was richtig und falsch ist. Gebt das Werten aus der Hand – nicht weil ihr euch dafür entscheidet. Weil es einfacher ist.
Ihr vertickt eure innere Uhr beim Pfandleiher hinterm DJ-Pult.
Eure Kunst heißt Performance.
Eure Sprache Anglizismus.
Euer Sport Yoga.
Euer Essen System.
Euer System Freiheit.
Euer Bier Craft.
Eure Musik Geräusch.
Ihr merkt das alles nicht. Es passiert euch.
Ihr seid nicht greifbar.
Greift auch nach nichts.
Ihr habt diese Zeit in der wir leben pasieren lassen.